Streetart – Die Straße als Galerie

Der Begriff Streetart beschreibt jegliche Form der Kunst, bei der mit Zuhilfenahme von Stickern, Sprühdosen, Streichfarbe, Markern, Schablonen, Tapeten, Postern, Leinwänden etc. Werke im öffentlichen Raum entstehen oder angebracht werden. Darunter zählen auch Skulpturen oder Videoprojektionen. Das Erschaffene wird zum einen im urbanen Raum in einen neuen Kontext gesetzt, und zum anderen wird der Raum an sich neu kontextualisiert. Der Ort, der das Werk trägt, ist individuell bestimmbar, oftmals sind es jedoch die allgemeinen Straßenmöbel wie Verkehrsschilder, Mülleimer, Plakatwände etc., die verziert werden.

Foto: Gianluca I.

Als Vater der Streetart wird Gérard Zlotykamien gesehen, der 1963 in Paris als erster Künstler überhaupt im öffentlichen Raum tätig war und seine strichfigur-artigen Éphémères zum Markenzeichen machte. Bekannte Namen wie Keith Haring oder Harald Naegeli ebneten in den 1980er und 90er Jahren den Weg für die heute unzähligen Varianten der stets beliebter werdenden Kunstform. Inhaltlich ist sie geprägt von Antikapitalismus, Nonkonformität, Antikonsumismus, aber auch von einer (teilweise surrealen) Ironisierung der Politik und Gesellschaft.

Ähnlich wie bei der klassischen Form des Graffiti geht es um das quantitative und qualitative Repräsentieren und Verbreiten des persönlichen Stils, welcher im besten Fall über die eigenen Stadtgrenzen bekannt ist. Dabei steht im Vordergrund, sich anarchistisch über die Privatisierung im urbanen Raum hinwegzusetzen. Doch wo liegt der Unterschied zwischen Streetart und Graffiti? Über diese Frage wird bis heute diskutiert, und das nicht zu Unrecht. Das klassische Graffiti-Piece ist im Allgemeinen sicherlich eine Facette der Streetart, taucht aber als Begriff oft negativ behaftet bzw. aggressiv auf und wird deshalb gesellschaftlich als Sachbeschädigung verurteilt. Vielleicht liegt es auch daran, dass bei der Streetart die Ansprüche an den Betrachter und der künstlerische Zugang nicht derart elitär sind wie im Graffiti . Betrachtet man nämlich extreme Disziplinen, wie z. B. das Trainbombing, lässt sich beobachten, dass sich die Szene in für Normalsterbliche unbetretbaren Orten ( bspw. U-Bahn-Schächten) abspielt. Viele der entstandenen Werke sehen niemals das Tageslicht und werden der Außenwelt somit vorenthalten. Die Grenzen sind allerdings fließend, so gibt es eine Vielzahl an Künstlern, die vom Graffiti zur Streetart gekommen sind und umgekehrt. Am besten ist es, und das ist sicherlich auch im Interesse der Künstler, dass jeder den Begriff für sich deutet. Manch eine Definition inkludiert sogar Formen der kollektiven Interaktion, so werden Flashmobs oder auch kreative Proteste zum Teil auch als Streetart bezeichnet.

City Ghosts

Foto: Gianluca I.

Der Zuspruch der Medien ist groß und es ist zu verfolgen, dass manch ein Streetartist den Absprung zum international bekannten Künstler schafft und kommerziellen Erfolg erlebt. Dies begrüßt die (in größten Teilen illegal tätige) Szene nicht immer positiv, was sich im Diskurs über den „Ausverkauf von Streetart“ äußert. Die Welt der kapitalistischen Vermarktung lässt sich nun mal nicht so einfach mit den Ideologien des Inhalts dieser Kunst vereinbaren und liefert massig Diskussionspotenzial. Die Lobby des Kunstmarktes hat Streetart ebenfalls für sich entdeckt und handelt alles Erdenkliche, von der Skizze bis zur Installation mit sehr hohen Preisen. Unter Sammlern der modernen Kunst gehört es fast schon zum guten Ton, einen originalen Banksy zu besitzen.

VENT

Foto: Gianluca I.

Für alle Interessierten ist das Buch „Street Art- Legenden zur Straße“ zu empfehlen. Die Herausgeber Katrin Klitzke und Christian Schmidt zeigen viele Abbildungen bzw. Werke der Szene-Größen und gehen darüber hinaus kompetent auf Entstehung und Entwicklung der Streetart ein.

Über Gianluca Iannelli

Student der Kulturanthropologie und Kunstgeschichte in Mainz und im Frühjahr 2011 Praktikant für Ausstellungsorganisation mit dem Schwerpunkt DIY-Ausstellung im Museum für Kommunikation Frankfurt.
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