Eine kleine Werkzeugkunde

Vom ersten Elektrobohrer bis zum Mini-Akkuschrauber (Foto: Nowak)

Vom ersten Elektrobohrer bis zum Mini-Akkuschrauber (Foto: Nowak)


Sie sind Heimwerkers Liebling: Akkuschrauber und -bohrer vereinfachen seit den 1970er Jahren DIY-Eigenheimprojekte. Doch angefangen hat alles schon viel früher…

 

Die elektrische Bohrmaschine

Wir schreiben das Jahre 1895: Die Industrielle Revolution ist seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in ganz Europa auf dem Vormarsch.  1867 gründet Wilhelm Emil Fein zusammen mit seinem Bruder Carl die Firma C. & E. Fein. In den Stuttgarter Werkstätten bohren die Mechaniker Frierich Heep und Jakob Wahl 1895 täglich Hunderte Löcher mit dem Handbohrer – das ist nicht nur zeitraubend, sondern vor allem sehr mühsam.

Durch Zufall – so die Firmenlegende – entdecken sie einige Kisten mit ungewöhnlich kleinen Elektromotoren, die wenige Tage zuvor aus England eingetroffen sind. Fein bestellt dort hin und wieder Technik, die es in Deutschland so noch nicht gibt. Die beiden Mechaniker betrachten die handlichen Motoren und haben eine Idee, die sich als Schlüssel zu einer neuen, vereinfachten Arbeitsweise entpuppen soll: Sie nehmen einen der Minimotoren und verbinden ihn mit einem Bohrfutter. Dann bohren sie ein Loch nach dem anderen- sauber und schnell. Emil Fein, der älteste Sohn des Chefs, erkennt das Potential dieser Kombination und schlägt dem Vater vor, sie serienmäßig zu bauen. Zusammen mit Feinkonstrukteur Otto von Fellenbach konstruiert Emil die erste elektrische Handbohrmaschine der Welt: Sie hat zwei Griffe an den Seiten, wiegt 7,5 Kilo und ihre Bohrleistung liegt bei vier Millimetern in Stahl.

Der erste elektronische Handbohrer der Firma Fein (Foto: C. & E. Fein GmbH )

Der erste elektronische Handbohrer der Firma Fein (Foto: C. & E. Fein GmbH )

Das neue Produkt geht in Serie, ein Patent hat Fein jedoch nicht angemeldet. So soll dieser Elektrobohrer erst der Anfang einer langen Entwicklung in diesem Bereich sein: Viele Hersteller arbeiten an ähnlichen Ideen und entwickeln das Produkt weiter, so stellt auch AEG  1895 eine elektrische mobile Bohrmaschine vor. Immer höhere Wattzahlen sind das Ergebnis. Stärkere Antriebe machen es bald möglich, dass auch schwierigeres Material bezwungen werden kann. Auch wurden die Maschinen leichter und handlicher, wie bspw. die elektrische Handbohrmaschine von Metabo, die 1934 auf den Markt kam.

Black & Decker 1961 (Foto: Black & Decker GmbH)

Black & Decker 1961 (Foto: Black & Decker GmbH)

Mit dem Akku ins Weltall

Bis zum nächsten großen Meilenstein in der Entwicklung des Heimwerkers liebsten Werkzeugs vergehen 60 Jahre: Robert H. Riley Jr. erfindet 1961 die erste kabellose Bohrmaschine für Black & Decker. Die Entwicklung der Nickel-Kadmium-Batterie steckt noch in den Kinderschuhen als Riley beginnt mit tragbarer Energie zu experimentieren.

Rückblende: Handwerker kommen in den späten 1950er Jahren in ein Haus und stöpseln ihre Werkzeuge in den Adapter der Veranda-Lampe. Dann bitten sie die Hausfrau den Lichtschalter anzumachen. Als in den 1960er Jahren aber auch immer mehr Frauen der Erwerbstätigkeit nachzugehen beginnen, ist tagsüber schlichtweg niemand mehr zuhause, um den Strom laufen zu lassen: Der Akku muss her.

1960 leisten 120-Volt-Bohrmaschinen 200 bis 250 Watt, Riley’s erste 4,8-Volt-Maschine ohne Kabel kann aber zunächst nur 10 bis 20 Watts produzieren, also entwickelt er neue Techniken, die mehr Leistung ermöglichen. Seine erste Maschine hat zwei Griffe, in beiden befinden sich Batterien. Das Gerät kann so eine Stunde und 16 Minuten am Stück laufen. In den späten 1960ern hat Riley die Leistungsfähigkeit bereits auf 35 bis 40 Watt gesteigert.

Black & Decker-Bohrer auf dem Mond (Foto: Black & Decker GmbH)

Black & Decker-Bohrer auf dem Mond (Foto: Black & Decker GmbH)

Mitte der 1960er Jahre bekommt Black & Decker den Auftrag, Werkzeuge für das US-amerikanische Raumfahrtprogramm zu entwickeln. Riley konstruiert daraufhin einen elektrischen Schrauber, mit dem Astronauten nun im All Bolzen eindrehen können. Rund zehn Jahre danach, profitiert bereits der Otto Normalverbraucher von der neuen Technik: Der Akkuschrauber wird ab den 1970er Jahren zum Inbegriff des Heimwerkertools. Das relativ leichte Werkzeug ist mobil einsetzbar und fehlt bald in keinem Haushalt mehr.

Immer kleiner, immer leichter

Noch einen oben drauf setzt 2010 die Robert Bosch GmbH: Der IXO von Bosch ist das erste Elektrowerkzeug mit Lithium-Ionen-Akkus. Die Technik ermöglicht es, sehr kleine Schrauber zu bauen, die fast immer einsatzbereit sind, denn die Selbstentladung der Akkus ist sehr gering. Die aktuellen Akkumaschinen halten im Zweifel länger durch als der sie bedienende Heimwerker. Zudem reduzieren sich Größe und Gewicht um ca. 60 % gegenüber den herkömmlichen Nickel-Kadmium-Akkus.

Klein und handlich: Die IXO von Bosch (Foto: Robert Bosch GmbH)

Klein und handlich: Die IXO von Bosch (Foto: Robert Bosch GmbH)

Damit ist er nicht nur viel leichter als seine Vorgänger, sondern passt auch locker in jede Handtasche. Aber ist das relevant für ein Werkzeug? Schließlich geht es beim Heimwerken doch um pure Manneskraft, oder? Nun, hier wird es interessant: Eine Umfrage hat ergeben, dass 50% dieser Miniwerkzeuge von Frauen gekauft werden. Und bei bisherigen Verkaufszahlen von allein über zehn Millionen IXO- Minischraubern können wir – nicht zuletzt dank des Akkuschraubers – wohl übereinstimmend sagen, dass Heimwerkern schon lange keine reine Männerdomäne ist.

Das Buhlen um die Gunst dieser neuen Zielgruppe gebiert auch allerlei Kuriositäten, so den IXO mit Swarowski-Besatz oder Heimwerkergeräte in Pink der Marke „Tussi on Tour“.

Wer sich Elektrohandbohrer und Co. einmal in natura anschauen möchte: Die kleine Werkzeugkunde ist auch Teil der DIY-Ausstellung mit einer „Peepshow“-Vitrine der Schrauber und Bohrer.

Über corinna kern

Corinna Kern war von Oktober 2010 bis Oktober 2011 als kuratorische Assistenz an der DIY-Ausstellung tätig.
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