Leben ohne Lebensmittelindustrie? – DIY für Genießer

flickr Herr Paulsen

Von Stevan Paul

In der Küche scheint der DIY-Gedanke, die Herausforderung „Do it yourself“, zunächst absurd: Wer in der Küche kocht, kocht ja schon selbst, etwas Eigenes entsteht. Einmalig und einzigartig trägt jedes Gericht die Handschrift der Köchin, des Kochs. Interessant wird es aber bei einem Blick auf die Zutatenliste. Scheinbar unumgänglich finden sich auf dem Einkaufszettel, neben Obst und Gemüse, Fleisch und Fisch immer auch Zutaten, die es nur im Lebensmittelhandel gibt. Kann man leider nur kaufen, kann man nicht selber machen.

Der Preis, den wir dafür bezahlen, ist mitunter sehr hoch. Über 300 E-Stoffe, chemische Zusatzstoffe, künstliche Aromen und Haltbarmacher sind für die industrielle Lebensmittelherstellung zugelassen, viele sind wegen ihrer negativen Auswirkungen auf die Gesundheit zumindest umstritten und oft genug Auslöser für Allergien. Die Namen der Lebensmittelzusatzstoff-Gruppen sprechen für sich, da gibt es Komplexbildner, Schaumverhüter, Treibgase, Schutzgase, Füllstoffe und Geschmacksverstärker, um nur ein paar zu nennen. Versteckte Fette und die starke Überzuckerung industrieller Lebensmittel lässt immer mehr Menschen erkranken. Gerade bei Kindern und Jugendlichen sind Mangelernährung, Fettleibigkeit und ernährungsbedingte Zahnerkrankungen auf dem Vormarsch.

Eine Alternative wäre es, den ganzen Kram einfach stehen zu lassen. Wer kein Convenience Food kauft, also „arbeitserleichternde“ Mehrkomponenten-Essenszutaten oder Fertiggerichte, der ist schon auf einem guten Weg. Aber ist eventuell ein Leben gänzlich ohne industriell gefertigte Lebensmittel machbar? Und alltagstauglich?

Persönlich beschäftige ich mich seit ein paar Jahren intensiver mit diesem Thema und ich muss sagen: Das ist wahrscheinlich machbar, macht aber Mühe. Brot zu backen, Brühen und Fonds anzusetzen, Marmeladen zu kochen, Gemüse einzuwecken, zu wursten, zu käsen… das ist schon zeitaufwendig.

Aber es ist auch seine Zeit wert, und es macht großen Spaß, einen Teil seiner Freizeit damit zu verbringen. Es schärft die Sinne für die jahreszeitlichen Angebote der Natur, es ist ein großes Glück Hausgemachtes aufzutischen und zu genießen. Unbezahlbar ist das Gefühl: zu wissen, was drin ist. Arbeitenden Menschen wird es nicht gelingen, sich gänzlich von industriellen Lebensmitteln zu emanzipieren, aber Dogmen sind sowieso meistens wenig hilfreich und das persönliche Lebensmittel-DIY soll ja auch Spaß machen.

Wer anfängt, sich dafür zu interessieren, wird staunen, wie viel man selbst machen kann und wie einfach einige Dinge zu bereiten sind. Rezepte und Anleitungen finden sich in den zahlreichen Foodblogs, da gibt es einiges zu entdecken. Selbstgemachter Tomatenketchup beispielsweise, eine Anleitung zur Butterherstellung, ein gratis Brotbackbuch zum freien Download oder meine eigene Serie zum Thema Bratwürste selber machen.

Während in großen Kochforen oft genug fehlerhafte Rezepturen fragwürdiger Herkunft per Copy/Paste unendlich vermehrt werden, stehen Foodblogger mit ihrem Namen für Qualität und akribische Rezeptarbeit, Rückfragen sind in den Kommentarspalten der Blogs gern gesehen und werden überwiegend schnell beantwortet. Hilfreich bei der Suche ist die Fool for Food-Rezeptsuchmaschine mit Schwerpunkt Foodblogs.

Wer sich lieber auf dem heimischen Sofa inspirieren lässt, dem sei wärmstens das Buch „Eingemacht“ von Nick Sandler und Johnny Acton empfohlen, das 2005 im Christian Verlag erschien; das Buch ist mir mitterweile eine kulinarische DIY-Bibel geworden.

Eingemacht von Nick Sandler und Johnny Acton

Der Titel ist missverständlich, tatsächlich führen die Autoren allumfassend in verschiedenste Techniken der Haltbarmachung ein, liefern dazu Rezepte für Hausgemachtes wie Gepökeltes, Rauchwaren, verschiedenste Würste, Essige und Öle, selbst gemachtes Sauerkraut, Miso, Marmeladen und Chutneys… und zeigen, wie eine Räucherkammer und ein Trockenofen selbst zu bauen ist. Kulinarisches DIY vom Feinsten, reich und schön bebildert.

Wer beim Einkauf von Lebensmitteln im Supermarkt mal nachdenkt, was davon eventuell selbst zu produzieren wäre und sich ab und zu ein paar Hausmacher-Kochstunden in der Küche freischaufelt, der gewinnt schnell an Lebensqualität.

Über Herr Paulsen

Stevan Paul lebt in Hamburg und betreibt als "Herr Paulsen" seit 2008 das Foodblog NutriCulinary (www.nutricilinary.com). Der gelernte Koch arbeitet als freier Foodstylist und Autor kulinarischer Themen für Zeitschriften, Magazine und Buchverlage. Er ist Autor des Buches "Monsieur, der Hummer und ich, Erzählungen vom Kochen", mairisch verlag, Hamburg 2009 Foto: Stefan Malzkorn
Dieser Beitrag wurde unter Gastblogger, Home abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

5 Antworten auf Leben ohne Lebensmittelindustrie? – DIY für Genießer

  1. Criz sagt:

    DIY, Küche und Co – jetzt fehlt nur noch guerilla gardening, um die Produkte auch noch selbst pflanzen zu können 🙂 Danke für diesen tollen Artikel und für die damit verbundenen neuen Rezepte und Ideen!

    off-topic: Das Blog wird bei mir teilweise falsch dargestellt. Wenn ich über google (diy-austellung) oder unter http://www.museumsstiftung.de/diy/ herkomme, wird nur die erste Blogseite gelistet. Klicke ich auf „ältere Beiträge“ erscheint zwar page 2, 3 etc. in der Adresszeile, aber es wird weiterhin die erste Seite dargestellt. Aktualisierungen funktionieren nur, wenn ich zuerst auf einen Beitrag klicke und dann wieder auf „home“ gehe. Adresszeile wird um ?cat=3 erweitert (http://www.museumsstiftung.de/diy/?cat=3). Ich verwende Firefox.

    Hoffentlich ist das nichts größeres, wünsche der Austellung sehr viel Erfolg und ja, ich werde sie auf jeden Fall besuchen kommen !

  2. tine nowak sagt:

    Danke für den Hinweis. Ist mir auch selbst schon passiert, hatte es aber immer wieder aufgeschoben, weil der Fehler nicht ständig auftaucht. Morgen werde ich das gleich mal in Gänze durchprüfen und hoffentlich beheben.

  3. verena kuni sagt:

    DIY, Küche und Co – jetzt fehlt nur noch guerilla gardening, um die Produkte auch noch selbst pflanzen zu können

    Kommt noch, kommt noch… spätestens im Märzen, wenn nicht nur der Bauer sein Saatgut ausbringt. Wobei Anpflanzungen in der Stadt, ob nun Guerilla- oder Balkongärtnerei, vielleicht doch eher etwas für’s Auge und für die Bienen sind. Lässt sich ja leider nicht alles abwaschen, was hier so in der Luft und im Boden liegt…

  4. Patrick sagt:

    @Criz:
    auch von mir (bin der WebDesigner): Danke für den Hinweis. Ist gefixt!. Hintergrund: Die Startseite (home.php) ist anders aufgebaut als die Folgeseiten (index.php) in WordPress. Beim Aufruf der älteren Seite musste die Kategorie im Link noch zugefügt werden. Es fehlte eigentlich nur ein Punkt .&cat
    Gruß
    Patrick

  5. Mela sagt:

    @Verena: Aber ob das auf den ganzen Feldern an den Rändern vielbefahrener Autobahnen und im Dunstkreis von Schwerindustrie wirklich besser ist?